Presseberichte
Kunst, die neugierig macht
Kunstverein Passau zeigt Retrospektive auf den Oberpfälzer Jeff Beer –
Riesige Bandbreite an künstlerischen Ausdrucksformen
Von Gabriele Blachnik. FEUILLETON der PASSAUER NEUEN PRESSE, 18. August 2022
Mit Jeff Beer präsentiert der Kunstverein Passau in der Sankt Anna-Kapelle derzeit einen bemerkenswerten Gegenwartskünstler. Welche Bandbreite an bildnerischen Ausdrucksformen hier von einem Künstler zu sehen ist, ist bereits etwas Besonderes. Noch etwas Besonderes wird dem aufmerksamen Besucher dieser Ausstellung erst allmählich bewusst: selten macht Kunst so neugierig auf ihren Erschaffer.
Was ist das für ein Mensch, der Zeichnungen, Gemälde, Holzschnitte, Collagen, Fotografien und Stahlskulpturen in gleichwertig hoher Qualität erschafft? Sich mit jeder Werkserie in den Anlass beziehungsweise inspirierenden Gegenstand seiner Kunst hineinvertieft, dabei eine jeweils neue Darstellungsweise findet? Und der neben der bildenden Kunst auch professionell die Musik und die Schriftstellerei betreibt?
Ein umfangreicher Katalog, der heuer anlässlich seines 70. Geburstages vom Kurator der Passauer Ausstellung Winfried Helm herausgebracht wurde, gibt Antworten. Jeff Beer kommt darin auch selbst zu Wort. Das Wesentliche für seine Kreativität war im Kern angelegt, sagt er da, und erklärt seine Motivation so: "Etwas kommt von außen, trifft auf eine innere, seelisch-geistige Disposition und löst dann diese magische Anziehung aus." Beer spricht von "Schüben", die jeweils für einige Jahre prägend wurden. So habe nach Studienaufenthalten in Paris und New York seine "Eisenzeit" begonnen, seien gleich in deren erstem Jahr 1985 über 100 Skulp-turen entstanden. Sein "Paar mit Fächer" (1993) steht in der Anna-Kapelle für seine archaisch reduzierten Eisenskulpturen.
Aus Stahl geschnitten und anschließend verschweißt sind auch seine neuesten Skulpturen, im Ausdruck jedoch gänzlich anders. Verspielt und voller Bewegung sind seine "Nymphen"-Gruppen. Obwohl in den Luftraum geformt, spürt man das Wasser, das Lebenselement dieser Fisch-Mensch-Geschöpfe, die ineinandergewunden, zu einem "Garten" oder einem "Baum" geformt, die Arme und Finger von sich strecken, als seien sie die Verlängerung von Wellen-bewegungen.
Mit Wasser hat sich Beer schon einmal intensiv auseinandergesetzt. Farbfotografien aus seiner Serie "Vom Wasser" aus den 2000er Jahren sind in der Ausstellung neben seine Nymphen gehängt. Damals vertiefte sich Beer in die Oberflächenspiegelungen der Tirschenreuther Waldnaab, die 50 Meter neben dem alten Gehöft vorbeifließt, auf dem er
lebt und arbeitet.
Sein unmittelbares Lebensumfeld ist auch Quell einer Gemäldeserie von 2017: "Enzyklopädie" nennt er die naturalistischen Aquarelle von Räumen und Gegenständen aus seinem denkmal-geschützten Wohn- und Atelierhaus mit Nebengebäuden. Die vermeintlichen Stillleben bergen tiefer liegende Inhalte – Gewesenes, Erinnertes und besondere Momente, auf die mancher Bildtitel dezent verweist.
Zwei Jahre davor hat Jeff Beer Reisen in die Erinnerung, ins Unbewusste, auch ins Satirische und Skurrile wiederum ganz anders verarbeitet: in bunten, erzählerischen, üppig verarbeiteten Collagen, die auch mit Wörtern und Texten spielen.
Für den Ausstellungsbesucher hält das Wandeln durch darstellerische Gegensätze noch manche Überraschungen bereit. Zur Finissage am Sonntag, 4. September, hat er Gelegenheit, dem vielfach begabten Künstler persönlich zu begegnen. Da kommt Jeff Beer in die Anna-Kapelle, macht Musik liest aus seinen Lyrik- und Prosawerken.
Hartes Eisen in weichen Formen
Jeff Beer ist ein Multitalent: Bildhauer, Fotokünstler und Musiker.
Die Galerie Insinger zeigt einen Überblick seines Schaffens.
Von Ulrich Kelber, Mittelbayerische Zeitung Regensburg, 22. September 2015
PIELENHOFEN. „Alle Sparten arbeiten einander zu“, erklärt Multitalent Jeff Beer. Als Musiker
hat er begonnen und damit Anfang der 1970er erste Erfolge eingeheimst, als er mit seiner Band „Elastic Grasp“ den Jazz- und Rockpreis „Goldene Gitarre“ bekam. Dann folgte das Studium an der Musikhochschule Würzburg in Komposition, Percussion und Klavier. Und nebenbei spielte er in einer Band mit dem martialischen Namen „Odin“, die es auf einige Plattenveröffentlichungen brachte.
Jeff Beer errang den 1. Preis des Deutschen Musikwettbewerbs, bekam Stipendien, die ihm Aufenthalte in New York und Paris ermöglichten. Und dort kam es durch die Begegnung mit den Eisenskulpturen von Pablo Picasso zu einem Aha-Erlebnis. Seitdem, seit 30 Jahren,
ist Jeff Beer auch Bildhauer. Später kam der Holzschnitt dazu, wobei ihn vor allem das „archaische Werkzeug“ faszinierte. Schließlich folgte die intensive Beschäftigung mit der Fotografie. Die Berliner Galerie Skulima bahnte dem Künstler den Weg zu internationalen Ausstellungen. Und natürlich konnte man Jeff Beer auch in Regensburg kennenlernen: 1998
mit einer Skulpturenausstellung in der Minoritenkirche und 2008 mit seinen fotografischen
Still-Leben „Vom Wasser“ in der Städtischen Galerie im „Leeren Beutel“. Jetzt richtet Carola Insinger in ihrer Galerie in Distelhausen an der Naab eine Jubiläumsausstellung aus:
„Jeff Beer. 30 Jahre Eisenplastik. Fotografie – Farbholzschnitt – Skulptur“.
Kontemplative und spannungsreiche Fotografien
An der Naab, der Waldnaab, lebt auch der 1952 in Mitterteich geborene Künstler. In Gumpen bei Falkenberg hat er sein Atelier in einem ehemaligen Bauernanwesen eingerichtet. Und vor der Haustür findet er die Motive für seine so kontemplativen wie spannungsreichen Fotos.
Es geht ganz schlicht um das Wasser des kleinen Flusses, das sich im Licht spiegelt, dessen Oberfläche sich in der Strömung kräuselt, wo Pflanzen und der durchschimmernde Kiesgrund oder das winterliche Eis für geheimnisvolle visuelle Effekte sorgen. Von „pulsierender Dichte und Tiefe der Dinge“ spricht Beer, der mit seinen Bildern wahrlich Gefühle zum Klingen bringt. Er scheint das „panta rhei“ der griechischen Philosophie zu illustrieren: Alles fließt und bewegt sich fort, nichts ist greifbar, nichts bleibt.
So abstrakt wie die Fotografien sind auch die Farbholzschnitte von Jeff Beer, für die man ebenfalls Begriffe wie „durchkomponiert“ und „lebendig“ verwenden möchte. Scheinbar amorphe Linien ziehen sich über das Blatt, wobei eine vexierbildartige Wirkung entsteht: Plötzlich sieht man in diesem Geflecht rätselhafte Figuren und Fabelwesen versteckt. […]
Die Ausstellung in Distelhausen zeigt sehr schön die Entwicklungswege auf. Das „Objet trouvé“ ist zunächst bevorzugtes Gestaltungsmittel. Allerlei Fundstücke aus Metall, meist Relikte aus dem bäuerlich-ländlichen Milieu, werden phantasievoll und witzig miteinander kombiniert,
dann verschweißt. Dabei geht es Beer immer um die Assoziation des Figürlichen, was Titel
wie „Mädchen mit Blumenstrauß“, „Geburt“ oder „She’s asleep“ unterstreichen.
Neuerdings arbeitet Jeff Beer mit flachen Eisenstäben, die er wellenartig verformt, bis etwa
die Umrisslinien einer Hand entstehen. Objekte wie „Turm der Hände“ oder „Crown“ wirken dabei sehr filigran und spielerisch. Das harte Metall ganz weich erscheinen zu lassen, gelingt ihm besonders gut bei der reizvollen Arbeit „Bewegung“: Da scheinen sich die gekrümmten Eisenstäbe anzustemmen gegen einen Sturm, der sie umzupusten droht. Und für den Betrachter bleibt – wie bei allen Werken von Jeff Beer – auf jeden Fall ein kräftiger
Denkanstoß!
AUF WASSERWEGEN VON SANKT PETERSBURG BIS NEW YORK
Jeff Beers Fotoserie "Vom Wasser" zwei Jahre lang erfolgreich auf internationaler Ausstellungstournee
Von Marina Drobysheva – Nevski Krai, Sankt Petersburg, 16. Juli 2008
Genau vor zwei Jahren, und zwar im Marmorsaal des Ethnographischen Museums, begann eine Wanderepopöe mit der Fotoserie " Vom Wasser " des deutschen Künstlers Jeff Beer. Die Ausstellung konnte inzwischen nicht nur in Moskau (Galerie „Glaz“, Haus der Fotografie), Nizhni Novgorod (Cinema-Centre), Ekaterinenburg (Fotografiemuseum „Metenkov-Haus“) und im fernem Sibirien (Krasnojarsker Kunst-Zentrum) gezeigt werden – es gelang ihr sogar, bis an die entferntesten Grenzen Russlands zu gelangen und mit Ausstellungen in Kaliningrad (Deutsch-Russisches Haus) und Wladiwostok (Arsenjev-Museum), beides „wasserrelevante“ Hafen-Städte, eine fulminante west-östliche Achse aufzubauen.
Zur letzten Station der zweijährigen Ausstellungsrunde Jeff Beers gerierte neulich der Ausstellungssaal des deutschen Konsulats in New York, wo die Wasser-Serie bei der
Vernissage in Anwesenheit von über hundertfünfzig Gästen präsentiert wurde. Im Laufe
von zwei Jahren wurde die Ausstellung u.a. in Polen, Tschechien, Frankreich und etlichen deutschen Städten gezeigt.
Wodurch ist nun der Erfolg dieser Ausstellung und ihre Attraktivität speziell für das russische Publikum zu erklären, zumal Jeff Beer sich in den präsentierten Fotografien nur auf ein einziges Motiv konzentriert, nämlich das fließende Wasser, für das ein bescheidener deutscher Fluss – die Waldnaab (ein Nebenfluß der Donau) – Modell gestanden hat?
Zunächst einmal wird der Betrachter durch die Farben- und Linienvielfalt, durch die plastische Mannigfaltigkeit der Wellengestaltungen, ja durch die pure Schönheit der Bilder Beers gefesselt. In Petersburg fiel von kunstwissenschaftlicher Seite u.a. ein Vergleich der Wasser-Fotografien Beers mit abstrakten Gemälden höchster Provenienz. Auf diesen Aufnahmen fällt des Weiteren die einmalige Kühnheit des Künstlers auf, der auf jegliche Einmischung in die Wesenheit des lebendigen Wasserelements verzichtet. So weigert er sich, die lebendige Dramatik seiner Wasser-Fotografien etwa durch die Einbeziehung von ufernahen Bäumen und Stauden, vom Ufersaum oder von irgendeinem im Fluss schwimmenden Objekt zu stören. Bäume bzw. Himmelsobjekte (die Sonne, Wolken) sind auf den Aufnahmen lediglich als Spiegelungen präsent, als Effekte, die durch das Wasser des Flusses vermittelt werden, so auch die immerwährende, die Wasseroberfläche durchfurchende Kraft. Jeff Beers Bilder suggerieren den Gedanken an die ursprüngliche Verbundenheit des menschlichen Lebens mit dem Wasser-Raum, dieser unerschöpflichen Traum- und Inspirationsquelle ...